Interview mit Ulrich Pleitgen

Vierzehn Jahre nach den Dreharbeiten zu den Eltern habe ich die Darsteller nochmal angeschrieben und darum gebeten, uns ein paar Fragen zu beantworten. Eine "direkte" Befragung war aus logistischen Gründen kaum möglich, da ich in Stuttgart wohne und die Darsteller über die ganze Welt verteilt sind. Trotz allem kamen bereits nach kurzer Zeit die ersten Antworten.

Die Fragen waren eine bunte Mischung aus allgemeinen und persönlichen Fragen; als Basis dienten auch Fragen, die von den Fans im Laufe der Zeit in den Raum geworfen wurden. Als erstes veröffentliche ich das Interview mit Ulrich Pleitgen, der auch freundlicherweise zwei aktuelle Fotos mitgeschickt hat. Auch wenn es unten noch einmal steht, an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank für die schnelle und umfangreiche Antwort!


Heiko Reddingius, NvsE.de: Vierzehn Jahre ist es nun her, daß die erste Klappe zu "Nicht von schlechten Eltern" fiel. Die erste Staffel war ein Überraschungserfolg, mit dem viele nicht gerechnet hatten. Haben Sie mit diesem Erfolg gerechnet oder waren Sie genauso überrascht?

Ulrich Pleitgen: Man kann solche Erfolge nicht voraussehen. Von der überdurchschnittlichen Qualität der Serie war ich aber überzeugt. Aber Qualität garantiert noch keine Quote.

HR: Was gefiel Ihnen besonders an Ihrer Rolle?

UP: Wolfgang Schefer ist als Vater weich, nachgiebig, komisch und oft hilflos. Er ist über die Vorgänge in der Familie nie so ganz informiert. Was seine Gutemiene betrifft, da ist er höllisch eifersüchtig. Im Dienst ist er ein As, kompetent, verantwortungsbewußt, mitunter streng, aber nie ohne Humor und menschliches Verständnis. Die Charaktermischung hat mich begeistert.

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Ulrich Pleitgen 2006
Foto: privat
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HR: Was würden Sie heute sagen, wie viel hatten Sie mit der Figur Wolfgang Schefer gemeinsam?

UP: Er hat mein Gesicht, meine Stimme, meine Figur. Charakterlich sind wir uns nicht ähnlich; höchstens ähnlich im schnellen Temperament.

HR: Was geht Ihnen heute durch den Kopf, wenn Sie noch einmal eine Folge oder Fotos aus dieser Zeit sehen?

UP: ... dass ich sehr froh war mit den Kollegen, dem ehrgeizigen, freundlichen Bremer Team, mit den guten Drehbüchern und unserem Top-Regisseur. Die "Zutaten" haben alle gestimmt.

HR: Können Sie sich vorstellen, heute noch einmal in einer Fortsetzung der "Eltern" mitzuspielen?

UP: Es gab bei der Produktionsfirma TV60 mal den Plan, einen 90-Minuten-Film "Zehn Jahre später" zu drehen. Aber Radio Bremen konnte wohl mit dieser Idee nichts anfangen.

HR: Gibt es eine Kollegin oder einen Kollegen aus der "Eltern"-Zeit, mit dem/der Sie gern noch einmal zusammenarbeiten würden?

UP: Wir haben immer noch Kontakt zueinander. Wir sehen uns selten, aber wenn, dann ist das sehr intensiv. Von Patrick Bach habe ich länger nichts gehört. Aber Tina Ruland habe ich ab und zu gesehen, und die Beziehung ist freundschaftlich wie damals. Mit meiner geliebten "Mutter" Renate Delfs telefoniere ich hin und wieder. Und mit Sabine Postel, die ich sehr mag, werde ich einen Film in der Toskana drehen, in dem wir (na, was wohl?) ein Ehepaar sind.

HR: Und gibt es eine bestimmte Rolle, die sie gern einmal spielen würden?

UP: Ich habe viele unterschiedliche Rollen gespielt, darunter viele Traumrollen. Ich hatte nie Sehnsucht nach einer bestimmten Rolle, mehr nach starken und widersprÜchlichen Charakteren, nach Figuren, die in schwierige Situationen geraten ? und damit fertig werden oder nicht.

HR: Gibt es etwas, daß Sie vor der Kamera nicht oder nur sehr ungern tun würden?

UP: Ausgedehnte Sexszenen sind langweilig und unerotisch. Aber Liebe ist natürlich eins der Urthemen im Film.

HR: Seit einigen Jahren sind Sie auch an Hörspiel- und Hörbuch-Produktionen beteiligt und haben beispielsweise Bücher von David Baldacci oder Thomas Gifford ("Asssassini") gelesen. Wie sind Sie zu den Hörbüchern gekommen?

UP: Ich wurde von Hörbuchproduzenten angesprochen. Meine Stimme schien sich für Hörbücher zu eignen. Außerdem kann die Bekanntheit eines Sprechers der Umsatzsteigerung dienen. Hörspiele mache ich schon, seit ich 1970 mit dem Beruf anfing.

HR: Was gefällt Ihnen besser, die Arbeit als Sprecher oder vor der Kamera?

UP: Beides gefällt mir. Die Arbeit vor der Kamera ist meine Hauptbeschäftigung und meine Leidenschaft. Das Lesen von Literatur, die Hörbucharbeit sind meine Hobbies. Ich liebe Literatur, lese selbst sehr viel. Und ich hatte das Glück, einige meiner Lieblingsromane auf CD bannen zu können.

HR: Im Jahr 1997 spielten Sie in "Leben in Angst" einen bisexuellen Arzt, eine Rolle, die heute sicherlich einfacher zu spielen wäre. Haben Sie damals sofort zugegriffen, als Ihnen die Rolle angeboten wurde, oder mußten Sie da erst mal überlegen?

UP: Ich mußte keine Sekunde überlegen. Ich bin Schauspieler geworden, um möglichst komplizierte und widersprüchliche Figuren zu spielen. Ob die Öffentlichkeit sich empört abwenden würde, war mir egal, hat mich nie interessiert.

HR: Und wie waren die Reaktionen auf diese Rolle – im Bekanntenkreis und der Presse?

UP: Die Kritiken waren überwiegend sehr gut. In zwei Artikeln hieß es, der Zweiteiler sei ein wenig problemüberlastet. Empörte Moralisten haben sich weder in der Presse noch auf der Straße oder in Briefen zu Wort gemeldet.

HR: Woran arbeiten Sie zur Zeit bzw. als nächstes?

UP: Ich bereite mich auf die Dreharbeiten zu Familie Dr. Kleist und auf mehrere Hörbücher und öffentliche Lesungen vor.

HR: Was ist für Sie die perfekte Art, sich zu entspannen?

UP: Lesen, Musik und Bewegung in frischer Luft. Ich habe ein Haus in der Lüneburger Heide. Wenn ich da aus dem Auto steige, höre ich nur die Geräusche der Natur. Und natürlich die Stimme meiner Liebsten.

HR: Gibt es ein Projekt, welches Ihnen besonders am Herzen liegt, auf das Sie an dieser Stelle aufmerksam machen wolllen?

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Ulrich Pleitgen 2006
Foto: privat
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UP: Im Dezember 2006 kommt auf der ARD um 20 Uhr 15 ein Weihnachtsfilm, den ich in Dresden gedreht habe. Die Dreharbeiten haben sehr großen Spaß gemacht. Der Film heißt bis jetzt (Arbeitstitel): Hilfe, meine Tochter heiratet. Das Sujet ist nicht neu, aber die Machart schon.

HR: Verraten Sie uns ... ihr Lieblingsbuch?

UP: Madame Bovary von G. Flaubert, Väter und Söhne von Turgenjev – und vieles mehr. Für einen lesenden Menschen gibt es viele Lieblingsbücher.

HR: ... Ihren Lieblingsfilm?

UP: Sein oder Nichtsein von Ernst Lubitsch.

HR: ... Ihre Lieblingsband/Musiker?

UP: Tracy Chapman; Carlos Santana; Doors; Ton, Steine, Scherben.

HR: ... Ihr Leibgericht?

UP: Spaghetti con aglio e olio. [Spaghetti mit Knoblauch und Olivenöl, Anm. d. Red.]

HR: Haben Sie ein Lebensmotto, und wenn ja, welches ist das?

UP: HEUTE LEBEN! Jetzt! Nicht immer dem Gestern hinterherweinen und auf morgen hoffen.

HR: Möchten Sie noch einige Worte an die Fans richten?

UP: Im TV nicht so viel Quatsch einschalten. Die TV-Zuschauer machen das Programm, denn die Einschaltquote entscheidet, was gedreht wird. Und über die Quote entscheidet nun mal der Zuschauer mit seiner Fernbedienung.

HR: Herr Pleitgen, wir bedanken uns herzlich auch im Namen der Fans von "Nicht von schlechten Eltern" für dieses Interview!


Dieses Interview wurde im Oktober 2006 per Briefwechsel geführt.