Interview mit Ann-Kristin Leo

Schon länger standen Ann-Kristin Leo und ich in Mailkontakt und irgendwann ergab sich, dass wir gerade beide in Berlin sind und dazu nicht allzu weit auseinander wohnen. Was liegt da näher, als sich mal zu treffen? Nachdem wir diverse Hürden überwunden haben (Terminkalender zum Beispiel), ist es Anfang September soweit: in einem gemütlichen Café in Prenzlauer Berg wollen wir uns treffen. Entgegen meiner sonstigen Art bin ich ein paar Minuten zu früh – eine Dame soll man ja nicht warten lassen – und ich muss zugeben: ich bin ziemlich nervös. Sicher, die Mails bisher waren wirklich nett, aber bleibt der Eindruck auch von Angesicht zu Angesicht bestehen?

Er bleibt. Ann-Kristin ist auf die Minute pünktlich. Was sie später auch selbst sagt, stelle ich schon im Gespräch schnell fest: Ann-Kristin und Benita haben nicht viel gemeinsam. Zur Einstimmung plaudern wir erst mal ein wenig, gehen ein paar Fotos durch und erst bei der zweiten Runde Getränke kommen wir langsam dazu, uns dem eigentlichen Interview zu widmen.


Heiko Reddingius, NvsE.de: Vor etwa 19 Jahren fiel die erste, vor 14 Jahren die letzte Klappe zu NvsE. Die Serie galt damals als Überraschungserfolg. Hättest Du damit gerechnet, dass die Sere zu ihrer Zeit manchen Quotenrekord bricht?

Ann-Kristin Leo: Darüber habe ich mir zu Drehbeginn gar keine Gedanken gemacht. Ich war einfach nur sehr glücklich, eine Rolle in einer guten Serie bekommen zu haben. Die Voraussetzungen, mit NvsE eine erfolgreiche Serie zu starten, waren aber natürlich da. Die Mischung aus Familien- und Schulserie war gut und dann all die wunderbaren Schauspieler ... allein der Lehrercast war ja umwerfend gut besetzt und die Familie sowieso.

HR: Du bist zu den Dreharbeiten gekommen, weil Du in der Zeit das Alte Gymnasium besucht hast. Hattest Du Dich seinerzeit aktiv um die Rolle bemüht oder hat Dich jemand angesprochen?

AKL: Mein Theaterlehrer, Herr Anders, hat mich damals bei Rainer Boldt empfohlen und mir dringend geraten, zum Casting für die Serie zu gehen. Das habe ich dann auch gemacht und eine Rolle bekommen: Benita.

HR: Was gefiel Dir besonders an der Rolle „Benita”? Hattest Du viel mit ihr gemeinsam?

AKL: Erst mal nicht viel, weil Benita so völlig anders war als ich. Benita war ja die absolute Musterschülerin, eher bieder, sehr brav und irgendwie immer korrekt. Ich war damals gut in der Schule, aber nicht sehr gut, geschweige denn strebsam. Ich war eher wild und hätte mich bestimmt auch Moritz gegenüber anders verhalten. Wahrscheinlich wäre meine Benita eher mit dem Zivildienstleistenden Felix „durchgebrannt” :-)

HR: Die Serie lief letzten Endes über drei Staffeln – wenn Du das von Anfang an gewusst hättest, hättest Du Dich trotzdem dafür entschieden, die Rolle anzunehmen?

AKL: Benitas Rolle war ja zu Beginn nur eine ganz kleine. Sie hatte ein paar Auftritte. Mehr nicht. Dass sie dann fester Bestandteil der Serie wurde, war so nicht geplant, aber natürlich ok für mich. In der dritten Staffel wollte ich eigentlich gar nicht mehr mitspielen, da mir die Erzählung der letzten Folgen eher fremd war und ich dazu mitten in den Vorbereitungen zu meinem Abitur am Oskar-von-Miller-Gymnasium in München steckte.

HR: Was haben Deine Eltern gesagt, als Du ihnen erzählt hast, dass Du in einer Fernsehserie mitspielen willst?

AKL: Da ich schon als Kind immer zum Film wollte, wußten meine Eltern um meinen Wunsch und haben dementsprechend reagiert. Mein Vater hat das alles eher gelassen gesehen, meine Mutter wollte da schon genauer wissen, was ihre Tochter da spielen soll. Gefreut haben sich, glaube ich, beide.

HR: Ist es euch „Neulingen” seinerzeit schwergefallen, sich zwischen den erfahreneren Kollegen zu behaupten?

AKL: Nein, wir hatten einfach großes Glück mit Schauspielern wie Sabine Postel und Renate Delfs oder in meinem Fall mit der wunderbaren Marion Breckwoldt zu spielen, die uns sehr unterstützt haben. Ich habe mich von Anfang an im ganzen Team sehr wohlgefühlt.

HR: Wenn Du heute nochmal Fotos oder Ausschnitte aus der Serie siehst, was geht Dir dann durch den Kopf?

AKL: Ich wäre gerne eine echte Tochter der Schefers gewesen – und dass das Auseinanderfallen dieser sehr sympathischen Familie über die drei Staffeln doch sehr schade gewesen ist. Die Serie mit einer wirklich guten letzten Staffel zu beenden wäre bestimmt verdienter gewesen und hätte auch das Publikum wieder mehr überzeugt und zurückgebracht.

HR: Könntest Du Dir vorstellen, heute noch in einer Fortsetzung der Serie mitzuspielen?

AKL: In einer Fortsetzung nicht, außer sie würde wirklich überzeugen, doch einen gelungenen Abschlussfilm für die Schefers … 15 Jahre später, das könnte ich mir gut vorstellen.

HR: Wenn es eine Fortsetzung gäbe, wo würdest Du da Benita (und Moritz) sehen?

AKL: Wenn die beiden noch zusammen wären … in der Bretagne! Moritz hat während der Finanzkrise sein ganzes Geld und wahrscheinlich auch das von Benita verloren. Benita lässt daraufhin Paris und vielleicht sogar Moritz für eine Zeit hinter sich und eröffnet in einem kleinen Dorf an der Atlantikküste eine Gärtnerei. Moritz versucht in Paris von seinem Vermögen zu retten, was zu retten ist, doch schließlich folgt er Benita und arbeitet sogar mit ihr zusammen … zwischen Lavendel, Zitronenbäumen und Rosen, das würde ihm nach den vielen anstrengenden Börsenjahren bestimmt gut tun.
Ein paar Wochen später würde er natürlich wieder sein Handy zücken und beginnen, erneut mit Aktien zu handeln. Doch diesmal nur mit Solaraktien – der Tipp kam natürlich von Oma Lisbeth.

Wir spinnen die Idee noch etwas weiter, aber den Ansatz finden wir beide gut.

HR: Du warst in der Serie mit einem der Hauptdarsteller liiert, wenn auch erst nach einigen Anlaufschwierigkeiten. Gab es da eigentlich auch „böse” Fanpost von eifersüchtigen Mädchen, die Moritz „für sich” wollten?

AKL: Nein. Nie.

HR: Gibt es eine Kollegin oder einen Kollegen aus der Serie, mit der oder dem Du heute gern noch mal zusammenarbeiten würdest (und wenn ja, wer?)

AKL: Mit allen.

Noch einen Anmerkung von HR: die Antwort kommt ohne zu zögern. In vielen Making-Ofs hört man Aussagen wie „Ach, es gab so tolle Kollegen, alle waren so nett” und manchen merkt man an, dass so etwas nur pro forma gesagt wird. Das ist bei Ann-Kristin nicht so. Und als ich 1994 selbst als Zuschauer am Set war hatte ich den gleichen Eindruck: die Zusammenarbeit war wirklich gut.

HR: Hast Du heute eigentlich noch mit Kollegen von damals Kontakt?

AKL: Nein. Mit Renate Delfs habe ich vor ein paar Jahren mal telefoniert. Wir wollten uns treffen, haben es dann aber nicht geschafft.

HR: Da Steven die Frage bekommen hat, bleibst Du natürlich auch nicht verschont: Benita und Moritz waren das einzige Paar, dass über die ganze Serie hinweg zusammengeblieben ist. Wie habt Ihr Euch privat verstanden, wenn Ihr gerade nicht gedreht habt?

AKL: Wir waren freundschaftlich verbunden, mochten uns und haben uns auch beim Dreh sehr unterstützt.

HR: Erinnerst Du Dich noch an die erste Szene, die Du für die Serie gedreht hast?

AKL: Das war eine Szene mit meiner realen Schulfreundin Merle, die meine Filmschulfreundin Monika gespielt hat. Ich sollte sie begrüßen und tat das gleich mal mit „Hallo Benita”. Ich wollte diese Rolle offensichtlich gleich in der ersten Szene wieder los werden. Doch über die Jahre habe ich die Rolle der „guten Benita an der Seite von Moritz” akzeptiert und mich mit ihr, so wie sie gezeigt wurde und wie Rainer sie gesehen hat, angefreundet. Doch etwas fremd ist sie mir immer geblieben, diese Benita.

HR: Was war für Dich der peinlichste Moment bei NvsE?

AKL: Es gab viele peinliche Momente :-)

HR: … und deine schönste Erinnerung?

AKL: Ich mochte die Familienszenen immer sehr. Wenn alle zusammen waren und z. B. große Essensszenen im Hause Schefer gedreht wurden. Das waren immer besonders schöne Momente.

HR: Wenden wir uns der Gegenwart zu … was macht Ann-Kristin Leo heute?

AKL: Ich bin immer noch Schauspielerin (das englische Wort „Actress” gefällt mir jedoch sehr viel besser), auch wenn ich mir eine längere Auszeit genommen habe, und freue mich über gute Rollen. Ich arbeite gerade an einer Drehbuchidee, die ich seit New York mit mir herumtrage und habe viel Freude an dem kreativen Prozess, der dahintersteht. Langsam fängt das ganze auch an, konkrete Formen anzunehmen.

Anmerkung HR: Die Frage nach dem Inhalt stelle ich gar nicht erst, da erfahrungsgemäß nicht vor dem Ende des kreativen Prozesses eine Aussage dazu kommt – wer selbst hin und wieder schreibt, Musik macht oder sonstwie kreativ ist, wird das nachvollziehen können. :-)

Ich habe zusätzlich in Budapest und München bis zum Physikum Tiermedizin studiert, musste jedoch feststellen, dass ich im aktuellen Medizinsystem weder arbeiten kann noch will. Daher setze ich mich seither ganz bewußt für Tiere, ihren Schutz und ihr Wohlergehen ein. Ich liebe diese wundervollen Wesen aus ganzem Herzen und will alles in meiner Macht stehende tun, dass es ihnen wirklich gut geht. So kam auch die Dr. Hauschka-Kampagne zustande. Denn nur eine Kosmetik, die ganz auf Tierversuche verzichtet, ist eine gute und als Schauspielerin muss ich mich in der Maske damit auseinandersetzen, welche Produkte ich verwende. Auch wenn ich privat komplett auf jede Form von Make Up verzichte.

HR: Gibt es eine Rolle oder einen Charaktertyp, den Du gern mal spielen würdest?

AKL: Jede Rolle, die mich berührt und mit der ich mich wohlfühle. Wenn ich beim Lesen eines Drehbuches spüre, dass mir der Charakter einer Person, die ich spielen soll, gefällt, dass ich diese Person mag, dann ist das ein gutes Zeichen. Wenn dann auch noch die Atmosphäre einer Geschichte, die Sprache und Melodie, für mich stimmig ist, dann ist das ein echtes Geschenk.

HR: Was ist für Dich die perfekte Art, Dich zu entspannen?

AKL: Es waren lange Spaziergänge mit meinem Hund. Jetzt gehe ich alleine. In schönen Parks, gerne auch am Meer. Früher habe ich viel Tennis gespielt. Das hat mir auch immer sehr gut getan.

HR: Verrätst Du uns …

HR: Hast Du ein Lebensmotto, und wenn ja, welches ist das?

AKL: Jeder Tag ist neu. Nutze ihn. Also, carpe diem!


Dieses Interview wurde im September 2011 in Berlin geführt. Zugeben muss ich allerdings eines: wir haben uns dermaßen verquatscht, dass ich Ann-Kristin den Fragenkatalog anschließend doch nochmal per Mail geschickt und ausgefüllt zurückbekommen haben. Das spricht für sie, denn das Gespräch war wirklich toll und ich möchte mich an dieser Stelle nochmal bei Ann-Kristin Leo bedanken, dass sie sich für beides die Zeit genommen hat! – HR


Zuletzt geändert: 29.12.2023, 08:59