Renate Delfs

1925 – 2018

Eigentlich kann man nicht über Renate Delfs schreiben, ohne gleichzeitig auch ein bisschen was über Flensburg zu schreiben. Flensburg, die Stadt, in der Renate Delfs geboren wurde und aufwuchs, in der sie ihre Schauspielkarriere begann, in der sie praktisch ihr Leben verbrachte. Wenn sie nicht vor der Kamera stand – in Bremen für NvsE und „Aus gutem Haus”, in Hamburg für insgesamt acht Folgen vom Großstadtrevier (zwischen 2000 und 2017) oder Adelheid und ihre Mörder (sechs Folgen) oder gelegentlich auch in anderen Teilen der Republik. Aber irgendwie war Renate Delfs immer mit dem Norden verbunden. Vor allem mit Flensburg, der Stadt, die ihr 2015 zu ihrem 90. Geburtstag eine Ehrenbürgerschaft zuteil werden ließ, als erster Person seit dem Ende des 2. Weltkriegs und als erster Frau überhaupt.

Renate Delfs 2006 in ihrem Garten in Flensburg

Renate Delfs, 2006
Bild: privat

Gerade bei „Nicht von schlechten Eltern” war Oma Lisbeth eine Oma gegen jegliche Konvention. Bis dahin wurden Großmütter im Fernsehen häufig als die lieben, netten Personen dargestellt, die Zeit haben, im Zweifelsfalle einspringen, wenn etwas ist, auf die Kinder aufpassen und vielleicht noch mal den Haushalt schmeißen. Sicher, vieles davon hat Oma Lisbeth auch gemacht - aber zu ihren Bedingungen, und das war bei der Erstausstrahlung im Jahr 1993 definitiv etwas Besonderes. Und irgendwann habe ich aufgehört zu zählen, wie oft Oma Lisbeth als „cool” bezeichnet oder mit anderen Komplimenten in ähnlicher Richtung bedacht wurde.

Das Schöne dabei war, dass Renate Delfs sich gar nicht mal so sehr verstellen musste. Meine eigene Großmutter ist nur wenige Wochen älter als Renate Delfs, ebenfalls im März 1925 geboren. Zu einer Zeit, als der erste Weltkrieg begann, zu einer Erinnerung zu werden, und der zweite noch in weiter Ferne lag – erst knapp vierzehneinhalb Jahre später sollte es dazu kommen. Renate Delfs gehörte somit zu einer Generation von Frauen, die viel geleistet haben und in den 1950er Jahren dann doch wieder hinter den Herd verbannt wurden, sofern die Männer nach Hause gekommen waren. All das hat diese Generation verändert – stärker, als wir uns das vorstellen können.

Interessanterweise kann ich zum Privatleben von Renate Delfs nur wenig beisteuern. Das hat sie vielleicht immer ein wenig für sich behalten, oder vielleicht war sie für die Öffentlichkeit auch nicht interessant genug. Bodenständig, das ist das erste, was mir zu Renate Delfs einfällt. Aber auch eine Person, die dem Leben und ihrer Umwelt auch mal zuzwinkern konnte.

2006 hatte ich einen Teil der Schauspieler*innen mit der Bitte um ein Interview angeschrieben. Renate Delfs und Ulrich Pleitgen antworteten als erste. Zwei, drei Tage später – ich war noch nicht mal dazu gekommen, die Antworten abzutippen – hatte ich zu meiner großen Überraschung eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter, von Renate: Sie hätte meine Fragen bekommen und ja auch schon zurückgeschickt, aber so im Nachhinein sei sie damit nicht glücklich und ob ich ihr die Fragen nicht nochmal zuschicken könnte? (Gern auch per Fax!) Dann würde sie sich etwas mehr Zeit nehmen. Was sie dann auch getan hat, und das mit dem Fax hat auch geklappt.

Als Rainer Boldt im letzten Jahr starb, habe auch ich einige Leute darüber informiert, die meisten per E-Mail. Von Renate Delfs hatte ich keine Mailadresse, und mit so einer Nachricht wollte ich sie auch nicht am Telefon konfrontieren (Ja, Renate Delfs stand bis zuletzt im Telefonbuch). Also schrieb ich ihr einen Brief. Ihre Antwort kam einige Tage später - ebenfalls als Brief, handgeschrieben und in einer Handschrift, bei dem jedem Lehrer die Freudentränen in die Augen gestiegen wären. Und herzlich, wie ich sie kannte.

Wann immer ich mit jemandem aus dem Team sprach, fast jeder hat im Laufe des Gesprächs nach Renate Delfs gefragt. Vielleicht war da, in Anbetracht des Alters, auch immer ein wenig die Angst dabei, dass es eine schlechte Nachricht gibt. Das wird nun leider der Fall sein. Auch wenn mehr als einmal der Satz fiel „Renate, die überlebt uns alle!” – und alle hätten es ihr gegönnt.

Renate Delfs verstarb am 14. Mai 2018 in Flensburg, der Stadt, der sie ihr ganzes Leben lang treu blieb.

Berlin, im Mai 2018
Heiko Reddingius

Zuletzt geändert: 29.12.2023, 07:29